Der Weg ist das Ziel

31.08.2012 21:36

Hopkins

Den eher touristisch erschlossenen Norden Belizes haben wir ausgelassen, weil wir weiter Richtung Südamerika reisen wollen, und sind jetzt in Hopkins gestrandet, d. h. wir wohnen direkt am  Karibischen Meer.

Hopkins ist ein Reihendorf von 3 km Länge, das parallel zum Strand liegt. Die Einwohner unterteilen es in Bailah (Nord-Hopkins) und False Hopkins (Süd-Hopkins).  Hopkins ist von der Nationalstraße über einen nicht asphaltierten  5 km langen Weg (Straße?)  zu erreichen. Hopkins Nord und – Süd sind durch ein uninspiriert angelegtes Asphaltband von 1,5 km Länge verbunden. Die  Dorfenden sind nur auf  einer rotlehmigen Straße erreichbar, die bei Regen Pfützen übersät  ist (eigentlich bräuchte man Gummistiefel). Wir leben zurzeit  im Hopkins Inn in False Hopkins, das von Rita (aus Köln) und Greg (Texas) geführt wird. Es ist die mit Abstand sauberste und  am besten organisierte Anlage (4  kleine Häuser auf Stelzen am Strand)  in Hopkins. Verlässt man die kleine Anlage, befindet man sich im Gebiet der Garifuna.  Garifuna haben ihre Wurzeln in Westafrika (Elfenbeinküste) und eine eigene Sprache, in der das afrikanische Idiom, Spanisch, Französisch und Englisch verflochten sind. Für die Garifuna  gilt: Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit. Die Männer sind in der Regel hochgewachsen und schlank und wirken ausgesprochen cool, was durchaus einen heftigen Schuss ins Lethargische beinhaltet, denn viele  scheinen nur abzuhängen (selektive Wahrnehmung?).  Die jüngeren Frauen sind ebenfalls schlank,  hoch gewachsen, sehr attraktiv gestylt und helfen offensichtlich  im Haushalt, denn außer im Bus sind sie sonst  nicht zu sehen.

Die Supermärkte sind in chinesischer Hand, die Elektronik-Artikel werden von Indern vertrieben. Die Garifuna machen Schmuck, sind Fischer, übernehmen den Transport von Gütern und Menschen, verkaufen Früchte und Gemüse oder führen kleine Restaurants.

Heute spazierten wir durch Hopkins Süd, weil es im Norden nur ein Restaurant und nur einen „Supermarkt“ gibt. Anders als in Deutschland reiht sich nicht Haus an Haus, und auch geschniegelte  Vorgärten (was sollen denn die Nachbarn über uns denken?) reihen sich nicht aneinander.  Vorgärten gibt es hier nicht und die Häuser, häufig auf Stelzen gebaut, sind absolut unorthodox angeordnet und widerstreben dem  deutschen Ordnungssinn aufs Heftigste. 

Wir schauten uns die Restaurants an und fanden ein passables, das wir heute Abend aufsuchen werden. Am Ende des Ortes orteten wir eine Touristen-Information, die von einem relativ jungen deutschen Paar aus Sachsen geleitet wird, die auch die Hausmeisteraufgaben für die beiliegende Apartment-Anlage übernehmen. Er sitzt in einer Holzhütte bei gefühlten 39° und 90% Luftfeuchtigkeit vor dem PC, schwitzt und kratzt seine Mückenstiche wund. Sie hält sich klugerweise draußen auf (31°, 80 % Luftfeuchtigkeit). Die beiden sind im dritten Jahr hier und  müssen noch ein Jahr voll arbeiten, dann bekommen sie eine permanente  Arbeitserlaubnis.
Wir  fanden heraus, dass wir uns in der Nähe Kajaks mieten können für eine Rundtour in der Lagune. Auf dem Weg zurück zu unserer Herberge sahen wir einen 65-75 Jahre alten weißen Mann, schmächtig, der  mit freiem Oberkörper und einer schlabbrigen, orangefarbenen ¾-Kunststoffhose in seinem Garten herummachte.  Er lebte jahrelang zur Miete in dem recht einfachen Stelzen-Holzhaus, das er vor 3 Jahren kaufte. Er wollte einen Zaun errichten, damit die Kinder nicht mehr  über sein Grundstück laufen konnten. Ob die 30 cm hohe Pflanze für diese Zwecke ausreicht?  Ein Garifuna (betrunken) gesellte sich zu uns und mischte sich ins Gespräch ein. Der Weiße (US-Amerikaner?) wies den Schwarzen auf sein ungehobeltes Verhalten hin und der Garifuna reagierte beleidigt und aggressiv, worauf der Weiße ihm die Hand zur Versöhnung reichen wollte (nach meinen Erkenntnissen aus dem Anti-Aggressionskurs mit Stefan absolut inkompetent) . Der Garifuna sah über diese Geste hinweg und redete weiter auf den Weißen ein.
 2 frustrierte alte Männer ohne Frauen in der Nachmittagshitze. Wir machten uns aus dem Staube.

In der nahe gelegenen Bakery kauften wir leckeren Bananen-Walnuss-Kuchen. Eine sehr drahtige und schmächtige Amerikanerin, Cathlin, mit der Röhre einer  Janis Joplin,  um die 40 und Mutter dreier Kinder, bot ihre Waren  lautstark  und mit Sachverstand an. Vor ihr lagen auf dem Tisch 5 Tupper-Kuchendosen, die sie nacheinander öffnete und deren Inhalt  sie erklärte: von banana-walnut über carrot-banana,  schoco-banana und zwei anderen Kuchensorten war alles dabei. Mit erhobener Stimme klagte sie  über die zu kleinen Plastikbeutel, die ein Bote für sie falsch  kaufte (passiert eigentlich überall auf der Erde). Unsere Äußerung: „besser kleine Plastikbeutel als gar keine“, kommentierte sie: „Das gibt einen ganz anderen Blick auf diese Welt.“

Hopkins, du Patchwork an der Karibik.  Wer hier leben  will, braucht ein sehr großes Herz.

07.08.2012