musste das wirklich sein?
Wir reisten mit dem Frühbus um 05:50 von Trujillo nach Chimbote, um dort um 07:30 den Anschlussbus nach Caraz, das zwischen den Cordillera Blanca und den Cordillera Negra liegt, zu nehmen. Wir entschieden uns für die anstrengendere Tour auf der Schotterpiste, um durch den gigantischen Canyon del Pato zu fahren, der die beiden Gebirgsketten trennt (an der engsten Stelle waren es nur 15 m). Der Bus war eine alte Klapperkiste mit durchgesessenen Sitzen und wäre in Deutschland sofort stillgelegt worden (scherzhaft meinte ich zu Kit: „Wenn der abstürzt, entsteht der Gesellschaft kein großer Schaden“). Solange der Busfahrer auf die Tube drückte, was angesichts der Rumpel- und Schotterpiste auch nicht ungefährlich war, war alles in Ordnung. Sobald er Schritttempo fuhr, wurde es gefährlich. Vor allem die schmalen Brücken (links und rechts je 15 cm Abstand zum Geländer, aber immerhin gab es diese) erforderten höchste Fahrkunst. Kit, die den Fensterplatz einnahm, mochte dann nicht aus dem Fenster schauen. Zweimal konnte der Bus eine Haarnadelkurve nicht nehmen und musste in der Kurve gen Abgrund (ohne Sicherheitsplanken) zurücksetzen. Uns wurde immer mulmiger zumute und wir stellten uns (wie oft schon auf den 100 Tagen unserer Reise) die Frage: „Musste das wirklich sein?“ Wir querten ca. 30 Tunnel (gesprengt und mit der Spitzhacke manuell geformt) und plötzlich sagte Kit mit Blick auf die Piste: „Das Schlimmste ist überstanden, die Straße wird besser“. Nur eine Minute später tauchte auf der rechten Seite ein Schild auf, das auf einen Erdrutsch hinwies, der auch tatsächlich große Teile der Straße bedeckte und die Fahrbahn stark einschränkte. Kit blickte aus dem Fenster und schrie laut auf. Nach oben reckte sich eine 1000 m hohe Felswand der Cordillera Blanca. Links neben uns fiel die Felswand steil in die Tiefe, und ganz unten in der Tiefe toste der Rio Santa. Der Fahrer fuhr ca. 5 Minuten im Schritttempo (gefühlte 60 Minuten) knapp 15 cm am Abgrund entlang, und im Bus war es mucksmäuschenstill. Kit, die unbedingt hinaus schauen und Fotos machen musste, zitterte und stöhnte. Nach Beendigung dieser Horrorfahrt waren wir uns beide einig: „Noch einmal würden wir diese Fahrt nicht machen.“
Wie meinte Lil-Ann in einer Mail lakonisch? „Die heftigen Erlebnisse vergisst man nie“.