Szenen eines Segeltörns

27.01.2013 20:17

Qualitätsmanagement an Bord

Wir machten einen Segeltörn zu viert östlich und nordöstlich von Auckland, umrundeten die Insel  Waiheke und übernachteten vor Coromandel.  
Von Anfang an achtete  der Käpt‘n auf höchste Qualität, denn von dieser hing im Extremfall das Wohl und Wehe des Schiffes und der Besatzung ab.
Das Qualitätsmanagement bestand darin, dass jede Handlung der Besatzung an Tauen, am Anker und an den Segeln  vom Käpt‘n genauestens auf ihre Richtigkeit überprüft wurde. 
Kit musste erfahren, dass  das Qualitätsmanagement sich auch auf den Bereich der Abfallentsorgung erstreckte. Gleich am ersten Tag warf sie einen orangefarbenen Wischlappen, der heftig stank, in den Abfall. Der Käpt’n, der wirklich jede Handlung kontrollierte, entdeckte den Lappen im Müllbeutel und war schwer entrüstet über diese Schandtat. Kit wusste zwar, dass für die Lappen  ein Lappen nur ein Lappen ist. Doch  für den Käpt’n ist ein Lappen ein treuer Wegbegleiter, der nicht widersprechen kann. Und so wurde er in einer Sugarsoap gereinigt. Seitdem hat er einen Sonderstatus.

Wer das läppisch findet, möge sich melden.

Falter/Falterin

Ein  Falter ist eine Person an Bord eines Segelschiffes, die das Hauptsegel   nach dem Einholen faltenfrei auf dem Baum in Falten  legt. Erfolgt das nicht mit der erforderlichen Präzision, legt der Käpt’n das Gesicht in Falten und faltet den Falter faltenfrei zusammen.


Beck’s oder Nussschokolade?

Der Käpt’n ist ein Liebhaber von Nussschokolade und Beck’s-Bier. Beide Produkte konsumiert er täglich in vollen Zügen.  Der Besatzung fiel dieses Verhalten natürlich auf und so stellte sie dem Käpt’n folgende Frage:

 „Worauf würdest du im Notfall eher verzichten. Auf das Beck’s oder auf die Nussschokolade?“

 Die Antwort kam prompt:

„Auf keins von beiden.“

 „Die Frage lautete aber, worauf du in einer Extremsituation verzichten würdest?“

„Hmmh, blöder geht’s nimmer“

„Wenn du nur die Schokolade mitnähmest, hättest du im Notfall genug Kalorien und würdest nicht verhungern.  Allerdings könntest du verdursten.

Und wenn nur Beck’s an Bord wäre, würdest du nicht verdursten, aber eventuell verhungern.

Dann nehme ich Beck’s mit und werde die Flaschenzahl sofort erhöhen. Und die Ration Nussschokolade stocke ich auch gleich mit auf.

Auch Delfine surfen

Am vierten Tag unseres Segeltörns brachen wir aus unserer geschützten Bucht in Elefant Cove mit dem Motor auf und hissten kurze Zeit später die Fock und schalteten den Motor ab.  Der Wind kam von Norden und wir fuhren nach Süden. Plötzlich sahen wir auf Backbord Fische springen. Ich dachte zuerst an Thunfische, doch bei näherem Hinsehen entpuppten sich diese als kleine  Delfine (die größten waren 1,5 m lang). Die Wellen waren 2 m hoch und wir segelten flott die Wellenhänge hinunter und kamen in den Spitzen auf 7,5 Knoten. Hinter uns  sahen wir  Delfine, die die Wellengeschwindigkeit von 15 Knoten nutzten, um vom höchsten Punkt der Welle kraftsparend ins Wellental zu schießen, unter dem Boot hindurch zu tauchen und auf der anderen Seite des Bootes aus dem Wasser  zu springen. Dabei zeigten sie uns keck ihre weißen Bäuche. Die Delfingruppe begleitete uns eine ganze Stunde lang und begeisterte uns mit ihrem Spiel um das Segelboot herum.

Der Käpt’n spricht zur Mannschaft

Es gibt Leute an Bord, die drücken sich vor der Arbeit. Die liebe ich!

(Mannschaft im Chor) Wir auch!

Der Käpt’n will den Mast rauf

Wat mutt dat mutt! Und so sprach der Käpt’n (70) am 01.01.2013 ohne Vorankündigung zur Besatzung: „Ich will heute rauf auf’n Mast um die Rille mit Vaseline zu schmieren, damit ihr in Zukunft das Hauptsegel einfacher und schneller aufziehen und runterlassen könnt. Allerdings komme ich nicht alleine hoch, dazu brauche ich eure Hilfe.“
Die Mannschaft war baff. Endlich mal wieder Sonnenschein und dann diese  Aktion? Der Käpt’n zog sich eine Art Sitzkorsett über,  an dem wir ihn nach oben hieven sollten,  und begann sich am Mast hochzuziehen.  Bei jedem Aufruf seinerseits sollten wir ihn am Seil und an der Winsch hochhieven. Das ging am Anfang recht gut. Er rief „auf“ und wir zogen und kurbelten die Winsch. Die ersten 10 m verliefen reibungslos. Er rief und wir zogen. Ab 10 m Höhe wurden seine Rufe mehr und mehr vom Winde  verweht oder es hatte ihm die Sprache verschlagen. Eine Zusammenarbeit war nicht mehr möglich.  Wir zogen bis zur Erschöpfung und zogen ihn bis auf 15 m. Dann waren wir außer  Puste. Glücklicherweise beobachtete uns vom benachbarten Motorboot der Skipper und kam zügig herüber gerudert. Er ging zur Winsch und kurbelte den Käpt’n einarmig auf 18 m. Wir waren hellauf begeistert und fragten ihn, wie er auf die Idee kam uns zu helfen. Er ist selber Segler und sein Sohn hing ebenfalls  - allerdings auf hoher See – auf 18 m Höhe. Warum er jetzt mit dem Motorboot fuhr, beantwortete er folgendermaßen: „Meine Frau möchte eine warme Dusche und zum Frühstück Toast.“
Wir vermuteten allerdings, dass seine attraktive Frau ihre tollen Designerkleider-Kleider nur auf einem Motorboot knitterfrei tragen kann.

Baden

Von der Badeplattform am Heck des Segelschiffes konnten wir den Sprung ins 22° warme Wasser gefahrlos und bequem praktizieren. Das Wieder-an-Borg-Kommen hingegen war nicht so einfach. Zwar existierte eine Strickleiter, die neben der Badeplattform an der Reling befestigt war und im Wasser hing, doch die hatte ihre Tücken. Sobald man den Fuß  auf die unterste Sprosse setzte, schob sich der Körper unter das Boot. Beim Versuch, von der Leiter auf die Badeplattform zu gelangen, kam es zu diversen Verrenkungen und  Schürfungen. Der Käpt’n zog sich bei diesem waghalsigen Manöver eine Zerrung im Arm zu und änderte sofort seine Baderoutine. Fortan stieg er ins kleine Schlauchboot, ruderte an den Strand, badete mehr oder weniger ausgiebig und paddelte anschließend zurück und stieg über die Badeplattform an Bord. Die anderen Teilnehmer hechteten aus dem Wasser, landeten wie die Seehunde mit dem Bauch auf der Plattform und zogen sich am Haltegriff hoch. Oder sie  ließen sich einfach hochziehen. Oder sie überlisteten die Strickleiter durch geschickte Körpertäuschungen.


Merke: Für  jedes Problem an Bord gibt es eine individuelle Lösung.

Grünlippenmuscheln und Austern

Grünlippenmuscheln werden in Coromandel in speziellen Anlagen in Ufernähe gezüchtet. An Plastikbehältern (s. Foto) hängen Seile, an denen die Muscheln siedeln. Zur Erntezeit werden die Seile eingezogen und die Muscheln abgestreift. Die Muscheln kauften wir beim Fischhändler in Coromandel Town im Plastikbeutel. An Bord wurden sie in einen Postsack des Deutschen Bundestages (s. Foto) umgelagert. Unser Motto für die Mitglieder des Deutschen Bundestages:  lieber muscheln statt  mauscheln!
Der Käpt’n servierte die Muscheln entweder paniert und frittiert (echt lecker), süß-sauer eingelegt (gaumenschmeichelnd) oder gedünstet (ein Gedicht). Ob wir nach diesem Geschmackserlebnis der Extraklasse noch einmal Muscheln in Hamburg kaufen werden?

Die Austern wachsen ebenfalls  in Zuchtanlagen, leben aber auch in großen Kolonien überall auf den Felsen am Strand. Der Käpt’n schlug ein gutes Dutzend mit einem Stein vom Felsen und brachte sie an Bord. Auf der Badeplattform öffnete er sie mit einem Schraubenzieher. Als Hammer diente eine alte Howard Rope Clutch (Seilbremse). Mit und ohne Zitrone verzehrten wir diese saftig-salzige Meeresfrucht mit Genuss. Champagner hatten wir nicht an Bord, weil der Kühlschrank die meiste Zeit streikte. Wer trinkt schon warmen Champagner zur meereskühlen Auster?