Wandertour auf den San Pedro
Unsere Wanderung auf den erloschenen Vulkan San Pedro, Guatemala
Den San Pedro haben wir quasi direkt vor der Nase. Jeden Morgen und Nachmittag, wenn wir auf dem Balkon sitzen, freuen wir uns über den herrlichen Ausblick. Er hebt in ca. 15 km Entfernung auf der anderen Seeseite seinen Rumpf aus dem See und scheint unerschütterlich. Nach 3020m sieht er nicht wirklich aus, ich würde ihn auf 600 m Eigengröße + 1500 Höhe des Lago de Atitlan = 2100m schätzen. Es ist diese sanfte, klare, leicht kühle Luft und das intensive, hellblaue Höhenlicht, dass das Schätzen von Entfernungen und Höhen schier unmöglich macht.
Waren es diese Wahrnehmungsverzerrungen, die uns zur organisierten Wandertour (anders kommt man nicht auf den Vulkan) animierten? Wir buchten für den 28.07.2012. Die Tourbeschreibung sah wie folgt aus: Abfahrt mit dem Boot um 06:30 zum Ort San Pedro, Weiterfahrt mit dem Pick-Up zum Eingang des Nationalparks und dann nichts wie rauf. Für den ca. 1.200-Höhenmeter langen Aufstieg wurden 3 Stunden veranschlagt (hatten wir bis dato in unserem Leben noch nicht gemacht), während der Abstieg 2 Stunden in Anspruch nehmen sollte (dito).
Das Boot fuhr relativ rechtzeitig los und sammelte unterwegs von den kleinen Orten weitere Passagiere auf, sodass es nach 30 Min. hoffnungslos überladen war. Zum Glück brach kein Sturm aus und so erreichten wir sicher das andere Ufer. Mit dem roten Toyota Pick-Up ging‘s Nonstop zum Nationalpark weiter. Im ersten Teil durchquerten wir auf einem gut ausgebauten Pfad eine massive Granitlandschaft, dann folgten Kaffee- und Maisplantagen und später Avocadobäume. Nach 45. Erfolgte die erste Rast, und anschließend wanderten wir nur noch durch Wälder (der älteste Baum ist 500 Jahre alt). Wir schnauften nicht schlecht auf 2200m Höhe. „Nur noch 2 Stunden bis zum Gipfel“, meinte unser Begleiter Juan. Kits Beine füllten sich mit Blei, während ich, eingehüllt in eine Pensionär-Gleichmut-Aura, relativ gelassen blieb und mir lieber nicht ausmalte, was noch vor uns lag. Den beiden Amerikanerinnen (Tochter 14, Mutter ca. 42, überschlank und extrem durchtrainiert), machte die Wanderung nicht zu schaffen. Irgendwann hängten sie uns ab und auch Kit wanderte plötzlich vor mir. Ab 2700m musste ich diverse Kunstpausen einlegen. Wenn ich beim Tennisspielen mal keine Luft mehr bekomme, öffne ich die Schnürsenkel und binde sie wieder zusammen. Hier schien mir diese Maßnahme nicht sinnvoll zu sein, obwohl das Schnüren der Wanderstiefel richtig lange Pausen gebracht hätte. Also keuchte und röchelte ich, auf meine Wanderstöcke gestützt, alle 30 Höhenmeter und senkte meinen Blutdruck. Welch ein Wunder: nach exakt 3 Stunden standen wir auf dem Gipfel (siehe Foto unter Bilder). Bergab war für mein Matschknie eine Tortur, doch nach 2 Stunden waren wir wieder unten, völlig erschöpft. Je oller, desto toller.
War die Bootstour die Vor- und die Wanderung die Hauptspeise, dann war die Bootsfahrt, diesmal direkt nach Panajachel, das Dessert. Wind war aufgekommen und Schaumkronen bedeckten die Wellen. Unser Bootsführer hielt direkt Kurs auf unser Ziel. Den Rennbootmotor drosselte er zu keiner Zeit und so flogen wir auf den Wellen dahin und krachten in die Wellentäler. Diese Fahrt war das absolute Rodeo. Das Pferd, in diesem Fall unser Boot, bockt unregelmäßig und rüttelt den Reiter ordentlich durch, staucht dessen Wirbelsäule und wirbelt ihn im Sattel auf und ab und kreuz und quer. Das Pferd nimmt wahr, dass der Reiter noch nicht in den Staub gefallen ist und ändert die Taktik. Jetzt springt es mit allen Vieren in die Luft, krümmt sich und kommt mit allen Vieren gleichzeitig auf, zieht die Wirbelsäule ein und katapultiert sie in Sekundenschnelle nach oben. Nur die besten Reiter halten diesen Schmerz aus. Unser Boot raste mit 30-40 km die Stunde auf die Wellen zu, hob ab und klatschte mit voller Wucht in die Wellentäler. Wir wurden 10-15 cm in die Höhe geschleudert und landeten unsanft auf der ungepolsterten Sitzbank, kollektives Angst- und Lustgeschrei ertönte. Nach 20 Min. waren wir aus dem Gröbsten raus und kamen unversehrt in Panajachel an.
P. S. Der Muskelkater am 2. Tag nach der Tour war schlimmer als am 1. Tag danach.